Der Turm ist gefallen – eine kurze Karriere im Roller Derby

Hinweis: Ich habe diesen Blog bereits letzten November angefangen zu schreiben. Seit dem hat sich doch noch ein bisl etwas verändert, welches ich hier miteinfließen lassen wollte. Sollte euch daher nun beim Lesen die zeitliche Abfolge nicht ganzg  stimmig vorkommen, bitte ich dies zu entschuldigen. Nun aber zum Blog…

Der_TurmMein Name ist „Der Turm“, ich bin Referee bei Barockcity Rollerderby in Ludwigsburg. Korrektur: ich  war es oder bessser wollte es so richtig werden. Aber über den Status des Nachwuchses ging es nicht hinaus.

Anfangs war ich noch ruhig und habe die Derbywelt einfach auf mich einwirken lassen . Doch schnell wuchs in mir der Ehrgeiz und ich dachte mir, ich könnte hoch hinaus und viel erreichen. Nur knapp ein Jahr, nachdem ich überhaupt mit dem Sport begonnen habe, habe ich beschlossen, das Ganze doch wieder an den Nagel zu hängen. „Der Turm“, nicht nur ein witziger Derbyname, den mir die Mädels von BCRD verpasst haben, vielleicht auch eine Warnung, wer hoch will kann auch tief fallen?! Wie es dazu kommen konnte, möchte ich in den folgenden Zeile versuchen, nieder zuschreiben und euch einen Einblick in meine Erfahrungen und Gefühlswelt zu geben.

Werdegang

Es war Juni 2014. Meine Karriere begann eigentlich so nebenbei. Mein Frau, Derbyname „Snow Wight“, wollte den Sport betreiben, und damit sie nicht allein ist erklärte ich mich bereit, sie als „Spielerfrau“ zu begleiten und Schiedsrichter zu werden, denn diese würden immer gebraucht. Im ersten halben Jahr hieß es dann erst mal skaten auf Rollschuhen lernen. Da ja Schlittschuhe und Inliner zu meinen regelmäßigen Sportwerkzeugen gehören, ging dies letztendlich auch schnell voran. Nebenbei nahmen Snow und ich regelmäßig schon an den Bouts in unserer Umgebung als Non Skating Officials (NSO) teil, um den Sport, die Leute und die Regeln kennenzulernen.

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Noch während meiner Skate-(und Ref-)Ausbildung beschloß Snow Wight, daß sie neben Spielerin auch Referee werden möchte. Dies führte schon bei vielen Derby-Leuten zu entsetzen. Angeblich weil man beides nicht zusammen vernünftig betreiben kann und weil man früher oder später in einen Konflikt kommt. „Du kannst entweder ein guter Spieler oder ein guter Ref werden, aber beides zusammen geht nicht“ haben wir dabei einige Male zu hören bekommen. Trotzdem, die Herausforderung stand zu beweisen, dass es doch geht. Schließlich geht es in anderen Sportarten auch, warum nicht auch beim Derby?! Wir waren nun also ein Team, dass Referee werden wollte!

NSOAb Anfang 2015 ging es endlich los mit unseren Bewerbungen als Refs. Zunächst viel bei Scrimmages daheim und auswärts, aber wir bewarben uns natürlich auch bei so vielen Bouts wie möglich, und zwar als NSO und als Referee, denn als Neuling stellt man natürlich wenig Ansprüche und nimmt mit was geht. Und die Erfahrung zeigt, dass NSO immer gerne genommen werden, wohingegen Referee-Neulinge eine schwereren Stand haben. So kamen wir hauptsächlich zu unserer Erfahrungen, wenn unser Ausbilder bei BCRD (Ghastly Giggler) entweder selber Head der entsprechenden Ref-Crew war oder er ein gutes Wort einlegen konnte. Der Giggler bescheinigte uns beiden aber, dass wir für Neulinge ein sehr gutes Auftreten bislang hingelegt hatten und wir unseren Weg gehen werden.

Mit der Sommerpause kam die Zeit, für das erste halbe Jahr eine persönliche Bilanz zu ziehen. Das Gefühl war trotz unserer Anstrengung und auch positiven Erfahrungen doch irgendwie eher negativ. Bei mir wurde das zudem unterstützt durch 2(!) Platebrüche kurz vor der Sommerpause, woraus mir die Erkenntnis kam, dass Anfängerskates für mich nicht mehr geeignet sind und ich kurzfristig neue, gescheite (, vegane), aber leider daruch teure Skates benötige. Letztendlich waren wir uns einig, dass wir mittlerweile genügend Erfahrung gesammelt haben müssten, um häufigere Ref-Einsätze bekommen zu müssen. Aber der Meinung, dass wir gut genug sind, vertraten wir wohl exklusiv. Nach der Sommerpaus weiterhin das gleiche Ergebnis, es wurde nur eine(r) von uns als Ref genommen und der andere als NSO. Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, überall das gleiche. Es gab natürlich auch ein paar sehr wenige Ausnahmen, wo wir beide genommen wurden –  das waren aber Bouts, die auf Grund von Terminen von anderen Bouts in der Nähe unter Ref-Mangel litten. Umgangssprächlich ausgedrück waren das aber auch nicht die Spiele „erster Wahl“.

Daher änderten wir für den Bout in Dresden Ende Oktober unsere Strategie und bewarben uns beide nur noch als Referee – gestärkt durch die Aussagen der Dresdner, dass wir unseren Platz „quasi sicher“ hätten, da sie in der Gegend nicht so viele Refs haben. Es kam wie es kommen musste: Snow wurde als Ref angenommen, ich – obwohl so nicht beworben – wurde nett gefragt, ob ich nicht doch NSO machen möchte. Ausgebootet wurden wir bei der Ref-Crew von 4 anderen Refs, die allesamt ihren Weg aus BaWü nach Dresden machten. Es waren die selben (zweifelsohne erfahrenen) Referees, die eigentlich jedesmal bevorzugt wurden  bzw. die den Head-Ref stellten, der seine Schäfchen beisammen hält. Klar war es für das Spiel gut, wenn so viele Erfahrene das Spiel leiten, es war schließlich das Aufstiegsduell der 2. RDD-Bundesliga. Und klar sollten die Referees der beteiligten Teams gleichmäßig verteilt sein (in dem Fall jeweils 2 von BCRD und Dresden). Aber dieser Bout sollte im Prinzip der Knackpunkt unseres Werdeganges werden. Nach dem lesen der Ref-Crew machten wir uns deshalb so unsere Gedanken…

  • wir wurden bei Bewerbungen als Ref immer wieder abgelehnt, ständig nur als NSO genommen, aber das war nicht unser Ziel
  • und wenn dann wurde nur einer von uns genommen, denn für Neulinge / unerfahrene Refs ist maximal wohl nur ein Platz in einer Crew vorgesehen
  • letztendlich sagt unsere Vita aus, dass wir als NSO so erfahren sind , dass Head-NSO und HR sich meist darauf einigten, lieber einen erfahrenen NSO als einen unerfahrenen Ref zu nehmen

Dies führt zu der Frage, wieviel Erfahrung bräuchten wir beiden, um regelmäßig gemeinsam in einer Refcrew aufgenommen zu werden? Und wieviel Aufwand in Zeit und Spritgeld sind wir noch bereit, diese Erfahrung zu bekommen? Wir sind in Jahr 2015 zusammen über 5000km zu Bouts selber gefahren (plus ein paar ganz seltene Ausnahmen, wo wir bei anderen Mitfahren konnten), haben fast jedes Wochenende in den Sport investiert, und können trotzdem nicht zufrieden sein mit dem Erreichten.

Das führte letztendlich zu der Entscheidung, zunächst keine weiteren Bewerbungen rauszuschicken. Wir waren platt, lustlos und frustriert.

Derbywelt

Im August hatten Snow und ich auch noch das Vergnügen, beim RDD-Officialsmeeting unseren Verein vertreten zu dürfen. Als Neulinge in unserem Verein bzw. als Officials wussten wir dabei nur schwer, welche Interessen wir hier vertreten können und sollen bzw. wie stark wir auch für diese Einstehen sollen. Ein Ansage hatten wir leider vorher auch keine bekommen.

In diesem Meeting sollten die Weichen der Officials im RDD und in der Bundesliga geregelt werden. Es ging um Themen wie die Rolle der Officials im Verband, die Organisation der Spiele, Ansprüche an Officials für diese Spiele und an die Ausbildung von Nachwuchs-Officials. Ich selber war in der Arbeitsgruppe für die „Organisation der Spiele“. Es ging darum, welche Erfahrung ein Referee oder NSO für ein Bundesligaspiel mitbringen muss. Je höher die Liga desto höher die Anforderungen. Definiert wurde diese für die Anwendung ab voraussichtlch 2017. Ich saß dabei in dieser Gruppe und dachte mir, warum definieren wir Wünsche für die ferne Zukunft und lassen dabei die Probleme der Gegenwart außer acht? Warum werden hier die Prioritäten nicht anders gesetzt??? Entsprechend glücklich mit dem Ergebnis fuhr ich wieder heim.

Snow Wight vertrat unseren Verein in der Arbeitsgruppe „Officials-Ausbildung“. Ein Gruppe, die an diesem Wochenende eigentlich sehr produktiv gearbeitet hat. Leider zeigten die Wochen und Monate danach, dass das alles wenig wert ist, wenn die Arbeitsgruppe nicht auch danach am Ball bleibt. Konkret umgesetzt wurde bis heute meines Wissens nach nichts.

Verein

Parallel zu unserem Werdegang versuchten wir beide, auch in unserem Verein etwas zu Bewegen. Wir machten einige Vorschläge, um die Situation für Officials im Verein und vorallem für die Bouts des Vereins zu verbessern. Alle Vorschläge wurden abgeschmettert mit so Aussagen wie „Was wollt ihr eigentlich? Ist doch alles ok.“ Das denken uns sehen wir heute noch nichts so.

Zudem wurde eine immer lästerlicher werdende Diskussion um Arbeitsstunden, die im Verein zu leisten sind, geführt, die die Motivation auch stetigen sinken ließ.

Kündigung

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Nun hatte ich bereits Ende September meine Kündigung beim Vorstand unseres Vereines eingereicht und dabei auch in Aussicht gestellt, mich komplett aus der Derbywelt zurückzuziehen. Ziemlich heftige Maßnahme so aus dem Nichts mag der ein oder andere denken. Es gibt auch welche, die warfen mir danach einfach nur ein „Kündiger“ an den Kopf, ohne mich auch einfach nach meinen Gründen fragen. Denn ich verbarg hinter dieser Maßnahme auch einen Plan: Ein Kündigung ist schnell zurückgenommen, da reicht ein kurzer Zweizeiler. Die Kündigungsfrist ist aber nunmal 3 Monate. Mein Plan war, ich wollte sehen,

  • wie reagieren die Leute im Verein? Kämpfen sie um einen? Oder schließen sie dich aus Vereinsorganisationen aus, obwohl du noch nicht weg bist, und dass obwohl sie sonst nichts organisiert bekommen, wenn man vorher was von ihnen wollte? Sind sie sauer mit dir? Verstehen sie deine Gründe? Oder verabschieden sie dich, obwohl du noch eine ganze Weile da sein wirst?
  • (=> Wenn ihr nichts ändern wollt, dann ändern wir halt etwas!)
  • wie reagieren andere Referees und Officials-Organisatoren? Schmeißen sie einen einfach so als dein Facebook-Freund raus oder ignorieren sie dich einfach, oder ändert sich menschlich gar nichts?
    (=> ein paar wenige kennen tatsächlich nur ihre Derbywelt und schmeißen einen aus ihrer selbiger, wenn man ihr kritisch gegenübersteht!)
  • Wie reagiert der RDD mit seinem Plan, Referees auszubilden und zu fördern?
    (=> Stand Mai 2016 gibt es keinen für mich ersichtlichen Fortschritt)

Ich habe dann kurz vor Weihnachten meine Kündigung doch zurückgenommen, obwohl sich absolut nichts geändert hat, habe aber meine Mitgliedschaft auf passiv umgestellt – zusammen mit der Ansage zu helfen, wenn ich(wir) gebraucht werden, aber sonst erst mal nicht weiter aktiv zu werden. Drei Monate später wurden wir zwar noch nicht aktiv angefragt, ob wir helfen können, aber wir haben von uns aus beschlossen, künftig in Stuttgart und Ludwigsburg bei den Officials helfen zu wollen. Ich habe mir dabei sogar erlaubt, mich für den 2. RDD-Bundesliga-Bout gegen Kaiserslautern als OPR zu bewerben. Aber kurz nach meiner Bewerbung konnte ich den Aufruf des Head Referees für dieses Spiel lesen, dass er  noch mehr erfahrene Referees sucht. Das war dann für mich endgültig das Zeichen, diese Karriere als Zebra hinzuwerfen!

Referee-Neuling

Ich sehe hier ein massives Problem für meine League – wie soll man bei BCRD als Referee-Neuling Erfahrung sammeln?

  • Es gibt zu wenig Scrimmages, selbst obwohl es nun wöchentlich die Möglichkeit im Training gibt
  • Scrimmages und Trainings bringen dir aber für die Bewerbung für Spiel gar nichts, denn diese Erfahrung wird nicht wahrgenommen.
  • Spiele gibt es bei BCRD so gut wie nur noch 2. RDD-Bundesliga oder WFTDA-Sanctioned Bouts. Alles gehobenes Niveau, und das bedeutet, dass der Head-Referee immer ein Auge auf die Erfahrung werfen wird und einen im Zweifel ablehnen wird.
  • Außerdem wird zunehmend darauf geachtet, dass man als Referee nicht mehr seine eigene League pfeift bzw. dass die Refcrew ausgeglichen verteilt wird zwischen Gast- und Heimteam. D.h. bei zu vielen Heim-Referees wird man auch deswegen zwangsläufig aussortiert, um keine „parteiische“ Crew zu haben. Mehr wie zwei aus der eigenen League kommen also eigentlich nicht mehr vor, wenn es um etwas geht. Und bevorzugt werden auch hier die Erfahrenen.
  • Stuttgart hat zwar ein B-Team, aber auch das hat nicht so viele Spiele, als das man dort große Erfahrung sammeln kann. Und auch dann ist die Frage, wieviel Plätze die für einen haben.
  • In Gruppen zu Auswärtsspielen zu reisen ist auch nur bedingt eine Lösung, da dann geschaut wird, dass Gruppen einzelner Leagueas bei Spielen nicht zu groß sind. 2 Refs einer League sind noch möglich, 3 sind aber ausgesprochen unwahrscheinlich.

Was bleibt, ist nur das Fahren weiterer Strecken, und das können andere gerne machen. Meine Zeit, meine Geduld und mein Geld reichen dafür nicht aus….

Ausblick

NSOSo, das ist nun meine Geschichte. In der Zwischenzeit haben Snow und ich auch bei BCRD zum Ende des Jahres gekündigt . Wir werden uns von der Derbywelt aber nicht verabschieden, wir werden der Region Stuttgart weiterhin als „Independent NSO“ zur Verfügung stehen. Aber wir bringen keine Bereitschaft auf, uns mit den Pflichten eines (auch passiven) Vereinmitgliedes weiterhin belasten zu wollen und wir werden auch keine weiteren Fahrten auf eigene Kosten unternehmen.

Merby

Der Turm im Merby-TrikotAnfangs hatte ich mich auch überreden lassen, es neben der Officials-Karriere auch mit der Männervariante des Roller Derbys, kurz Merby zu probieren. Im Januar 2015 hab ich dabei auch ein Training mitgemacht, musste dieses aber aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abbrechen. Danach war ich dann auch mehrere Wochen krank zu Hause mit einem heftigen grippalen Infekt. Daher habe ich das Thema Merby für mich doch erst mal hinten angestellt, um fit zu werden. Im August hatte ich dann beim privaten Skaten einen kleinen, aber heftigen Unfall – einen kräftigen Sturz auf den Hintern, welches sich leider bis in die Brustwirbelsäule durchgestaucht hat und diese dabei heftig degeneriert hat. Diese Probleme verfolgen mich auch heute noch, auch wenn fast die komplette Eishockey-Saison spielen konnte. Aber beim Eishockey kann man mit meiner Statur (190cm und breit) den Zweikämpfen besser aus dem Weg gehen als es im Derby möglich sein wird. Deswegen hab ich auch hier im Dezember beschlossen, Merby nicht wieder in Angriff zu nehmen…