Ich habe Anno dazumal Wirtschaftsinformatik studiert, die Verbindung von Informatik mit Betriebswirtschaftslehre. Heutzutage ist es ja schon gesellschaftlich fast verwerflich, BWL zu studieren, und ich würde mir das vielleicht heute auch anders überlegen, aber nun hab ich mir das Wissen mühselig angeeignet. Besonders schlimm ist, man lernt dabei viel über betriebliche Abläufe und Prozesse. Und wenn man das Wissen dann auch noch im beruflichen Alltag häufig anwendet, dann geht man automatisch dazu über, auch in seiner Freizeit, Prozesse von anderen Unternehmen oder Dienstleistern gedanklich auseinanderzunehmen und über deren Verbesserungspotential nachzudenken. In seltenen, aber nicht zu seltenen Fällen springt es einen gar direkt ins Gesicht, so wie in dem folgenden Fall…
Über 1 1/2 Jahre war unser Wohnzimmer eine unfertige Baustelle, mangels Werkzeug konnten wir nicht alle Regale aufhängen, denn mit unserem popeligen Schlagbohrer waren Löcher in unserer Stahlbetonwand unmachbar. Gut, das meiste hängt schon dank freundlicher Unterstützung guter Freunde, aber wenn ich mich damals nicht bei einem Regal beim Anzeichnen vermessen hätte, sähe die Welt heute auch anders aus. Danach haben wir es sehr lange vor uns her geschoben, ganz klar unser Problem, denn unser Plan war eigentlich, von Freunden uns die „Bohrdienstleistung“ noch einmal zu besorgen, aber die Terminfindung haben wir nie wirklich in Angriff genommen. Gut, es kamen auch noch einige neue Regale dazu, die wir damals noch nicht eingeplant hatten. Letztendlich haben wir uns für den für jeden gangbaren und unabhängigen Weg entschieden, uns beim lokalen Baumarkt einen Bohrhammer zu leihen, mit dem wir unser Ziel erreichen konnten.
Ich bin also Freitag Mittag in den lokalen Baumarkt, um mich mal darüber schlau zu machen, wie das so bei denen abläuft. Als erstes erst mal den Stand suchen, an dem man das Werkzeug bekam. An der Info ist zumindest schon mal keine Information zu sehen. Vom Nachfragen sehe ich aber erstmal noch ab. Im Markt selber finde ich den entsprechenden Stand dann – ganz hinten bei den Baumaterialien quasi als letzte Möglichkeit, die mir noch bleibt! Allerdings habe ich den auch nicht woanders erwartet, denn dort ist er doch bei den meisten anderen Baumarktketten auch. Das Stand war – wie fast immer – unbesetzt. Also erstmal warten auf den freundlichen Mitarbeiter, der für mich zuständig war, denn in Sichtweite war er leider auch nicht. Dann kam er…. doch nicht, es war nur der Kollege, der nicht hierfür zuständig war. Aber er war so nett und rief den zuständigen Kollegen, welche auch relativ gleich kam. Diesem erzählte ich was ich brauchte und er schaute auch gleich ins Regal, um zu schauen, was dort für Bohrmaschinen vorhanden waren. Komischerweise zog er zuerst den großen Bohrhammer raus, aber ich meinte gleich, der kleine wird für meine kleinen Löcher (5er und 8er Durchmesser) ausreichen. Die sind wohl solch simple Werkzeuganfragen wie meine nicht allzu gewohnt. Die Maschine war also schnell geklärt, sie war verfügbar und nicht kaputt(!). Anschließend fragte ich nach dem leider unverzichtbaren zubehör – den Bohrern? „Die gibt es leider nur bei den ganz großen Geräten zum Mitmieten, die kleinen, die ich bräuchte, müsse ich leider kaufen.“ entgegnete er mir. Etwas entsetzt und resignierend nahm ich das zur Kenntnis, mir dann doch Werkzeug kaufen zu müssen, welches ich danach nicht mehr verwenden kann, es sei denn ich kaufe mir dann doch gleich den eigenen Bohrhammer. Macht auch voll Sinn! Abschließend fragt ich ihn nach den möglichen Tarifen, ob eine Ausleihe auch nur über ein paar Stunden möglich wäre und ob ich die Maschine dann für den folgenden Samstag reservieren könne. Die Antwort war für mich hervorragend, es gibt einen 4-Stunden-Tarif. Nur die Reservierung, das machen die Kollegen an der Informationen. In meinem geistigen Hinterstübchen wurde der kleine Prozessanalytiker wach! Auf dem Weg zur Information machte ich erst mal gleich einen kleinen Umweg zu den Bohrern, die könne ich ja dann gleich mitnehmen. Also aus dem Regal einen 5er und einen 6er Betonbohrer eingepackt und ab zur Information. Dort war die Reservierung keine Problem, trotzdem ich das Gerät an einem Samstag benötigte, dem Tag, wo alle Menschen zu kleinen Handwerkern werden. Alles lief also nach Plan und der Samstag konnte kommen…
Am Samstag meldete ich mich als erstes wieder an der Information. Dort wurde zunächst noch ein bisl Papierkram fertig gemacht, mein Ausweis gecheckt, usw. Dann schickte sie mich wieder zum Geräteverleih nach ganz hinten im Markt, ohne irgendwelche Papiere oder auch nur sonst irgendwas. Na gut, auf dem Weg nach hinten nochmal bei den Bohrern vorbei, denn ich hatte am Vortag den 8er Betonbohrer vergessen. Beim Geräteverleihstand musste ich dann wieder kurz auf einen Kollegen warten, allerdings kürzer also einen Tag vorher. Ein Anderer als am Vortag kam dann, stellte nicht auch nur ansatzweise in Frage, dass ich das Gerät reserviert hatte (da kann echt sonstwer kommen und das behaupten) und zog dann auch zunächst den großen Bohrhammer aus dem Regel (da war doch was), aber ich griff wieder gleich ein und zog den kleinen Bohrhammer raus und verwies dabei auf den Bohrer, den ich in der Hand hatte, den stinknormalen für alle Bohrmaschinen einsetzbaren 8er Bohrer. Denkste! „Den Bohrer können sie glaub ich bei dieser Bosch-Maschine nicht verwenden, denn die Maschine hat das SDS-Systems. Fragen sie aber sicherheitshalber nochmal einen Kollegen aus der Bohrerabteilung.“ „Hä?“, dachte ich mir, und vor allem „Na toll“, denn ich hatte ja schon die Bohrer am Vortag gekauft, und diese lagen – genau – daheim! Nach dem alles gesprochen war und die Maschine auch nochmal auf ihre Funktion überprüft wurde, hab ich dann erneut auf dem Weg zurück zur Information (ja genau, die machen wieder den Rest fertig) einen Abstecher zu den Bohrern gemacht. Dort den falschen 8er zurückgehängt und dann ein Set aus einem 5er-, 6er- und 8er-SDS-Bohrer mitgenommen. SDS-Bohrer haben einen speziellen sichereren Montageverschluß und passen nur in die bestimmten Bosch-Maschinen und sind natürlich teurer als normale Bohrer! An der Information wurde dann der Mietvertrag fertig gemacht und abkassiert. Es konnte daheim dann also gleich losgehen…
Kaum daheim, schon wollte ich loslegen, packte gleich die neu gekauften Bohrer aus und wollte den 8er in die Maschine einlegen. Es blieb beim Vorhanden, denn der Bohrer passte nicht!!! Was war denn jetzt schief gelaufen? Auf der Maschine nachgesehen, dort stand etwas von „SDS-Plus“. Und was stand auf der Verpackung der Bohrer? „SDS-Quick“!!! Das darf nicht wahr sein, jetzt gibt es für das System auch noch verschiedene Versionen, und ich hab natürlich zum falschen System im Regal gegriffen! Da war sie wieder, die Strafe für das nicht richtig Lesen und nicht Nachfragen! Die Strafe, nochmal in den Baumarkt zu müssen!!! Also wieder ab, dort dann aber auch ohne zu fragen die richtigen Bohrer mitgenommen, denn diesmal war ich mir sicher – was auch per Ausschlussverfahren sichergestellt war, denn das waren die letzte Art Bohrer, die es noch gab und ich noch nicht mitgenommen hatte. Aber gedanklich fühlte ich mich schon finanziell in die Nesseln gesetzt, denn bei den ganzen Bohrern, die ich nun falsch gekauft hatte, war schon das Desaster perfekt. Und die SDS-Plus-Bohrer sind natürlich nochmal ein bisschen teurer als die Normalen und die Quick! Nun aber keine Zeit mehr verlieren, denn das alles ging ja auch wieder schon der Mietdauer von 4 Stunden ab. Welch ein Streß! Ich hatte ja auch schon bewusst darauf verzichtet, jetzt schon den Versuch zu starten, die falschen Bohrer wieder zurückzugeben.
Daheim hat dann aber alles geklappt und wir sind locker innerhalb der 4 Stunden mit allem durchgekommen. Zurück im Baumarkt dann wieder der gleiche optimale Prozesse, für mich dann quasi zum dritten Mal. Anmelden an der Info, wo die Papiere fertig gemacht wurden. Anschließend zum Geräteverleihstand, Gerät abgeben inkl. Funktionsprüfung, natürlich wieder ohne irgendeinen Nachweis außer dem Gerät selber, und wieder zurück zur Info. Ich denke ihr seht hier im Prozess auch ein wenig Optimierungspotenzial, oder? An der Info hatte ich dann aber das große Glück, dass alles in Ordnung war und ich auch die falsch gekauften Bohrer alle wieder zurückgeben konnte – sogar die bereits geöffnete Packung. Baumärkte sind hier was Kulanz angeht fast unschlagbar! Und so hielt sich mein Desaster in wirklich kleinen Rahmen, komplizierter Weg mit Happy End!!!
Nun sind wir im Besitz eines echt schön gewordenen Wohnzimmers und zwei SDS-Plus-Bohrern, passend nur für Bosch-Bohrmaschinen! (falls jemand von euch Interesse hat…)

